Ionic Liquids – innovativer Blitzableiter in der E-Mobility

Elektroerosion in Wälzlagern von elektrisch angetriebenen Motoren ist ein seit langem bekanntes Phänomen. Mit der sprunghaften Zunahme im Bereich der E-Mobility nimmt das Problem ganz neue Dimensionen an.

Ionic liquids

Es ist absehbar, dass das Thema Elektroerosion in Zukunft noch weiter deutlich an Bedeutung gewinnen wird, denn der zunehmende Einsatz von Frequenzumrichtern in modernen Antriebssystemen zur stufenlosen Drehzahlregelung von Elektromotoren und Generatoren führt dazu, dass durch Elektroerosion erzeugte Schäden zunehmen. Auch der Trend hin zu höheren Spannungen zum Beispiel in der Bordnetzspannung in Automobilen sorgt dafür, dass die Energie dieser Entladungen künftig stärker wird. Der Tribologieexperte Klüber Lubrication forscht seit über 20 Jahren an der Verwendung von Ionischen Flüssigkeiten für innovative Schmierstoffkonzepte speziell in diesem Segment. Mit dieser modernen Entwicklung wird der Schmierstoff quasi zum Blitzableiter, der verhindert, dass sich schädliche Potentiale aufbauen. Neben den für Fahrzeuge relevanten Kriterien Drehzahl, Laufruhe und verlängerte Lebensdauer lässt sich mit dieser neuen Generation von Spezialschmierstoffen auch das Thema elektrische Leitfähigkeit beherrschen.

Schäden durch Elektroerosion

Elektroerosion in den Wälzlagern von Elektromotoren oder anderen elektrischen Komponenten entsteht durch unerwünschten Stromdurchfluss, der durch die Kontaktzone von Wälzkörper und Laufbahn fließt und dort Hitze erzeugt, die ein punktuelles Schmelzen der Oberfläche verursacht. Dadurch entstehen zunächst kleine Krater in Mikrometergröße, im weiteren Betrieb können sich als Sekundärschaden quer zur Laufbahn des Wälzlagers liegende Riffel bilden. Beide Schadensarten führen dazu, dass die Lager zunächst unerwünschte Geräusche erzeugen und schließlich frühzeitig ausfallen.

Es gibt verschiedene Ansätze, das Problem konstruktiv zu lösen, beispielsweise durch Isolierungen einzelner Lagerkomponenten wie der Innen- bzw. Außenringe oder die Verwendung keramischer Wälzkörper. Diese Maßnahmen führen jedoch nicht immer zum Erfolg und sind zudem mit hohem Kostenaufwand verbunden. Eine naheliegende Lösung ist es daher, die entstehenden Ströme durch die Verwendung eines Schmierstoffs mit niedriger Impedanz abzuleiten, denn als konstruktiver Bestandteil des Systems Wälzlager ist der Schmierstoff bereits an Ort und Stelle.

Prinzipiell sind Schmierstoffe jedoch Isolatoren, die gerade dadurch, dass sie Stromflüsse blockieren, den Spannungsaufbau in metallischen Lagerkomponenten verstärken. Herkömmliche Lösungen verwenden ‚schwarze Schmierstoffe’ auf Graphit- und Rußbasis, die zwar ebenfalls parasitäre Lagerströme verhindern können. Diese enthalten jedoch schwarze, feste Graphitpartikel, was zur Folge hat, dass die erforderliche Laufruhe nicht erzielt werden kann. Da die Partikel im Laufe der Zeit aus der Reibstelle verdrängt werden und sich durch die mechanische Belastung verändern, nimmt zudem die Leitfähigkeit der Fette immer weiter ab.

Schmierstoffinnovationen mit Zukunft

Den Ansatz, den Schmierstoff mittels Zusatz von Ionic Liquids leitfähig zu machen und so die entstehenden Ströme abzuleiten, hat der Lösung mittels ‚schwarzer Schmierstoffe’ gegenüber deutliche Vorteile. Insbesondere die hochfrequenten EDM (Electric Discharge Machining) Ströme können durch entsprechende Schmierstoffkonzepte beherrscht werden.

Klüber Lubrication ist derzeit der einzige Hersteller, der diese Lösung anbieten kann und besitzt insgesamt drei Patente zur Verwendung von ionischen Flüssigkeiten in Zusammenhang mit Schmierstoffzusammensetzungen. Davon bezieht sich ein Patent auf die Verwendung als Basisöl, zwei weitere auf die Additivierung.

Ionic Liquids – Hintergrund

Ionische Flüssigkeiten sind, in einfachen Worten gesagt, flüssige Salze. Sie verfügen über keine stabile Kristallstruktur, da diese durch Ladungsdelokalisierung und sterische Effekte verhindern wird. Der Schmelzpunkt dieser Salzschmelzen liegt per Definition bei unter 100 Grad Celsius und oft sogar weit darunter, so dass die Salze bereits bei Raumtemperatur flüssig sind. Durch die Modifikation der Kationen oder Anionen lassen sich die Eigenschaften von ionischen Flüssigkeit je nach Anforderung variieren. Das prädestiniert sie für viele Anwendungsgebiete in der chemischen Verfahrenstechnik.

Ionische Flüssigkeiten und ihre Eigenschaften sind mittlerweile seit über hundert Jahren bekannt, sie wurden jedoch lange Zeit wenig beachtet und nicht in Produkten bzw. Verfahren verwendet. Für die Verwendung in Schmierstoffen für die Lager von Elektromotoren werden sie interessant durch ihre elektrische Leitfähigkeit, die bewirkt, dass unerwünschter Stromdurchgang reduziert wird.

Klüberlectric BQ 72-72, gemessene EDM Ströme in A, Abhängigkeit von Drehzahl und Temperatur (TU Darmstadt)

Ionic Liquids besitzen bei einer entsprechenden Auswahl von Kationen und Anionen darüber hinaus eine ausgezeichnete Stabilität gegen Oxidation. Sie sind thermisch stabil und bei hohen Betriebstemperaturen bis 150 Grad verwendbar, dabei jedoch schwer entzündlich, sehr gut löslich und nicht toxisch. Ein weiterer Vorteil für diesen Bereich ist ihr extrem niedriger Dampfdruck. Im Gegensatz zu Spezialschmierstoffen, die leitfähige Partikel enthalten, haben Ionic Liquids keinen negativen Einfluss auf das Geräusch. Bereits in mehreren Fetten konnte darüber hinaus eine hohe Drehzahleignung nachgewiesen werden. Derzeit werden bereits Drehzahlkennwerte von >1 Mio n x dm erreicht, das Ziel in der Entwicklung von Klüber Lubrication ist es, auch solche mit >2 Mio n x dm zu beherrschen.

Ionic Liquids erhöhen die Lebensdauer der Lager deutlich und tragen somit zur Nachhaltigkeit bei. Da der Energieeintrag durch unerwünschten Stromdurchgang nicht nur Schäden in den Lagern bewirken kann, sondern aufgrund der entstehenden punktuell extrem hohen Temperaturen auch den Schmierstoff zersetzt und in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, ist ein weiterer positiver Effekt die Verlängerung der Fettgebrauchsdauer.

Durch ausführliche Triboanalysen nach Prüfstandsversuchen lassen sich sowohl der Zustand des gebrauchten Schmierstoffs als auch der Lagerzustand ermitteln. Ein besonderes Merkmal ist dabei das Zusammenspiel der lager- und der schmierstoffrelevanten Untersuchungsergebnisse. Durch detaillierte Untersuchung der jeweiligen Komponenten können mögliche Schäden genau ermittelt werden.

Die Prüfstandsergebnisse zeigten eine deutliche Verringerung der durch Lagerströme verursachte Schäden an Lager und Schmierstoff bei Verwendung von Ionic Liquids.

Ionic Liquids – ein Ausblick

In Kooperation mit starken Partnern aus der Industrie arbeitet Klüber Lubrication derzeit daran, mit Hilfe von Ionic Liquids die Leitfähigkeit von Schmierstoffen unter Erhalt der tribologischen Leistungsfähigkeit noch weiter zu optimieren. Derzeit ist es noch nicht möglich, bei sehr hoher durchgehender Energie in den Lagern das Problem des unerwünschten Stromdurchgangs allein durch den Schmierstoff zu lösen. Das wäre jedoch ein Anliegen der Industrie, da dadurch die Baugröße der Lager reduziert werden könnte. Ein interessanter Lösungsansatz ist hier die Kombination von isolierenden Lagern mit zusätzlichen Ableitelementen, die elektrisch leitfähige Schmierstoffe enthalten.

Fazit

Dem Schmierstoff als konstruktives Element kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Effizienz und Zuverlässigkeit mechanischer Komponenten zu. Experten wie Klüber Lubrication forschen an der stetigen Weiterentwicklung, denn Schmierstoffe sind ein Schlüssel zu längerer Lebensdauer der Komponenten, höherer Energieeffizienz und letztlich zu mehr Nachhaltigkeit.

 

 

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